Mit einem dreimonatigen Testbetrieb hat der SWR im September 2025 das Innovationsprojekt „Virtual Production“ gestartet, das die Möglichkeiten virtueller Studioproduktion ausloten will. Auf einer großen LED-Wand im Baden-Badener Studio 6 entstehen dafür virtuelle Welten – direkt vor den Kameras. Moderatorinnen, Hosts oder Schauspieler agieren vor digitalen Kulissen, die live mit den Kameras synchronisiert werden. Der Hintergrund auf der LED-Wand bewegt sich passend zur Kameraposition – und das Bild wirkt realistisch, ganz ohne Nachbearbeitung, direkt live im Studio.
Im Fokus der dreimonatigen Testphase steht das Format „Fehler im System“, eine interaktive Pen-&-Paper-Show, die in Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma Midflight Productions entsteht und das Zusammenspiel von Gaming, Streaming und TV-Produktion in Virtual Production testet. Am 24. und 25. Oktober 2025 verwandelt sich das Studio für jeweils vier Stunden in eine dystopische Welt. Die Spielleitung übernimmt Hauke Gerdes, bekannt von rocketbeans.tv und einer der prägenden Köpfe der deutschen Pen-&-Paper-Szene. Streamer und Creator wie Daniel Budimann, KaddiTV, Uke Bosse und Haselnuuuss begeben sich auf Spurensuche. Unterstützt werden sie durch die Schauspielerin Franciska Friede und die Schauspieler Frederic Böhle & Ron Helbig.
Anja Räßler, Creative Director bei Midflight Productions: „Uns ist sehr daran gelegen, Pen-&-Paper für ein breiteres Publikum zugänglich zu machen. Die Faszination des Formats liegt in der Verbindung aus epischen Geschichten, gemeinschaftlichem Spiel und spontaner Kreativität. Mit dem SWR haben wir nun den idealen Partner gefunden, um unsere Vision, klassisches Rollenspiel mit modernster Virtual-Production-Technologie zu verbinden, Wirklichkeit werden zu lassen. Die Synergie-Effekte im Team sind enorm – es macht großen Spaß, gemeinsam an dieser neuen Form der Inszenierung zu arbeiten.“
Erstmals wird bei dem Format eine Mehrkameraproduktion mit drei getrackten Kameras live in Virtual Production umgesetzt. Zur Darstellung der virtuellen Hintergründe setzt der SWR auf eine zehn mal vier Meter große Crystal-LED-Verona-Wand mit dem neuen Trackingsystem Ocellus der Firma Sony, mit der der SWR in diesem Rahmen eine Entwicklungspartnerschaft geschlossen hat. Ocellus wurde speziell für Augmented-Reality- und virtuelle Produktionsanwendungen im Broadcast- und Kinobereich entwickelt. Planung, Aufbau, Einrichtung und Kalibrierung der Produktionstechnik erfolgte gemeinsam mit dem österreichischen AV-Unternehmen AV-Professional.
Die sechs virtuellen Sets, in denen während des Pen-&-Papers ermittelt wird, wurden im Vorfeld im Echtzeit-Grafiksystem der Unreal Engine erstellt. Ziel ist es, reale Objekte vor der LED-Wand so einzubinden, dass sie mit den virtuellen 3D-Sets verschmelzen und die Übergänge zwischen physischer Ausstattung und digitalen Welten so realistisch wirken, dass man die Grenzen kaum noch erkennt. Durch den Parallax-Effekt, eine Designtechnik, bei der sich Objekte unterschiedlich bewegen, um eine räumliche Tiefe und einen 3D-Effekt zu erzeugen, passt sich die Darstellung des virtuellen Hintergrunds dynamisch an die Kamerabewegung an.
Mit dem Projekt evaluiert der SWR, welche Rolle Virtual Production künftig in Eigenproduktionen spielen kann – sei es für Unterhaltung, Kultur oder Information. Neben dem Pen-&-Paper „Fehler im System“ sollen im Projektzeitraum noch vier weitere Use Cases aus den Genres Szenische Dokumentation/Trailer, Live-on-Tape-Studioproduktion, Challenge-Format und Social-Media-Erklärformat getestet und evaluiert werden.