In Deutschland finden regelmäßig rund 1.800 Musikfestivals statt – von Klassik über Rock, Pop und Jazz bis hin zu Elektronik, Folk und Neuer Musik. Eine neue bundesweite Studie will erstmals repräsentative Daten zu Struktur, Finanzierung und gesellschaftlicher Bedeutung dieser Kulturlandschaft bieten. Die Studie ist ein gemeinsames Projekt der Initiative Musik, der Bundesstiftung LiveKultur und des Deutschen Musikinformationszentrums. Die Erhebung wurde durchgeführt vom Institut für Demoskopie Allensbach.
Musikfestivals sind weit mehr als Bühnen für Livemusik, sie eröffnen Freiräume für Kultur und Kreativität, schaffen intensive Gemeinschaftserlebnisse – insbesondere in nicht-urbanen Regionen. 60 Prozent der Festivals finden in Städten und Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern statt. Die neue Studie zeigt: Charakteristisch für Festivals ist ihre stilistische Offenheit, denn jedes einzelne vereint heute im Schnitt fünf verschiedene Genres. Im Durchschnitt bringt jedes Festival 30 Konzerte/Acts auf die Bühne – hochgerechnet ergibt das bundesweit jährlich rund 51.000 Konzerte. Rund 40 Prozent dieser Auftritte entfallen auf Nachwuchskünstler und -ensembles.
Hochgerechnet auf die gesamte deutsche Festivallandschaft ergeben sich Einnahmen von rund 551 Millionen Euro bei Ausgaben von 522 Millionen Euro. Festivals geben somit auch einen Impuls als Wirtschaftsfaktor. Doch die wirtschaftliche Situation vieler Festivals ist angespannt: Durchschnittlich stehen pro Festival Einnahmen von rund 313.000 Euro Ausgaben von 296.000 Euro gegenüber. Gewinne erzielen lediglich 15 Prozent der Festivals, während etwa 30 Prozent Verluste verzeichnen. Die Mehrheit – nur 18 Prozent verstehen sich als kommerziell ausgerichtet – verfolgt damit vor allem kulturelle und gemeinnützige Ziele. Mit 38 Prozent der Gesamtausgaben machen Künstlerhonorare den größten Kostenfaktor aus. Bei Klassikfestivals liegt der Anteil bei 48 Prozent, bei Popularmusikfestivals bei 34 Prozent. Jazzfestivals innerhalb der Popularmusik weisen hier mit 41 Prozent einen höheren Wert auf.
Die Einnahmenseite unterscheidet sich deutlich: Klassikfestivals sind stärker förderfinanziert, weisen mehrheitlich einen ausgeglichenen Haushalt auf und decken etwa 40 Prozent ihres Budgets aus öffentlichen Mitteln ab. Weitere 24 Prozent generieren sie durch Sponsoren, Stiftungen und Mäzene. Popularmusikfestivals sind marktorientierter, erzielen häufiger Überschüsse, tragen dafür aber höhere wirtschaftliche Risiken und Infrastrukturkosten – insbesondere bei Outdoor-Veranstaltungen. Der Anteil öffentlicher Förderung liegt hier bei rund 20 Prozent.
Auch bei den Zukunftsaussichten zeigen sich Unterschiede je nach Genre: 82 Prozent der Klassikfestivals erwarten eine Fortführung ihres Festivals. Bei Popularmusik- und Jazzfestivals liegt dieser Wert mit 62 Prozent und 68 Prozent deutlich niedriger. Zehn Prozent der Popularmusikfestivals befürchten sogar ein unmittelbares Aus – bei Klassikfestivals sind es vier Prozent.
Über die ökonomische Bedeutung hinaus beleuchtet die Studie die gesellschaftliche Rolle der Festivals. 85 Prozent setzen Maßnahmen zur ökologischen Nachhaltigkeit um, während 53 Prozent auf geschlechtergerechte Line-Ups achten. Diversität spielt vor allem in der Popularmusik eine zentrale Rolle, während sie im Klassikbereich bislang seltener Beachtung findet.
Unverzichtbar ist das Ehrenamt: Bei 79 Prozent aller Festivals spielt es eine zentrale Rolle – sowohl bei der Planung als auch in der Durchführung. In kleinen Gemeinden ist fast jedes Festival auf freiwillige Helfende angewiesen (97 Prozent). Popularmusikfestivals (83 Prozent) nutzen Ehrenamt häufiger und in größerem Umfang als Klassikfestivals (70 Prozent). Damit bildet das Ehrenamt das Rückgrat vieler Festivals und leistet einen entscheidenden Beitrag zur kulturellen Teilhabe und regionalen Verankerung.
Für die vorliegende Studie wurde eine Kombination aus qualitativer und quantitativer Befragung gewählt. Kern der Studie war eine Vollerhebung (online) unter 1.764 Musikfestivals in Deutschland, die im Vorfeld identifiziert und kriterienbasiert geprüft wurden. Nach Ablauf des Befragungszeitraums lagen 638 vollständig ausgefüllte Fragebögen vor. Die vollständige Studie steht auf den Websites der Initiative Musik, der Bundesstiftung LiveKultur und des Deutschen Musikinformationszentrums zum Download bereit.